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Schwerdatenforschung - Theoriesimulation

Theorisimulation von Gabriele Gramelsberger
Schwerdatenforschung: Das ist eine Mischung aus ironischer Reflexion aktueller Entwicklungen, die allesamt den Informationen und Daten ihre Existenz verdanken - seien dies wissenschaftliche, wirtschaftliche oder künstlerische Aktivitäten - und aus dem Spiel mit dem Möglichen, Virtuellen, der Simulation. In diesem Falle: Die Simulation von Theorien. Man kann es auch als ein wissenschaftstheoretisches Experiment verstehen. Folgt man Thomas Kuhn, so stünden wir in der Schwerdatenforschung am Beginn einer Entwicklung, die sich aktuell noch außerhalb der normalen Wissenschaft befände und mit gängigen Paradigmen nicht vereinbar wäre. Oder mit Ludwig Fleck gesprochen: Vollzieht sich eventuell ein Wandel des Denkstils? Kuhns Konzeption der Struktur wissenschaftlicher Revolutionen handelt von Anomalien im Normalbetrieb der Wissenschafte und die Anomalie, die bei der Schwerdatenforschung zu Buche schlägt und zum Konflikt mit den Paradigmen führt, ist die Beobachtung, daß sich das Datenuniversum schneller ausdehnt, als das Universum selbst. Immer mehr Materie und Energie muß zur Verfügung gestellt werden, um diese Dynamik zu ermöglichen. Demgegenüber steht die Inflation der informativen Konsistenz mit steigendem Informationswachstum und das steht im krassen Widerspruch zur Informationserhaltungs. Wer stellt sich nicht die Frage nach dem Beginn des Datenuniversums, nach den kleinsten Dateneinheiten oder dem Gesetzt der Informationserhaltung?

Um diesen Phänomenen auf die Spur zu kommen, und um letztendlich eventuell aus Informationen Materie oder Energie rückzugewinnen, stehen unterschiedliche Konzeptionen der experimentellen Herangehensweise zur Verfügung, so etwa die Daten-Fusion, Daten-Cyclotron, Datenlinearbeschleuniger, Datenreaktor, schneller Brüter und mehr. Aber, wie gesagt, wir befinden uns in einem pränormalen, wissenschaftlichen Stadiums und dürfen uns noch einige Freiheiten erlauben. Und wie die sog. normale Wissenschaft uns hinreichend lehrt, ist die Simulation die Methode der Stunde. Deshalb der Aufruf der Schwerdatenforschung: Tauchen wir ein in die Simulation der Theorie dieser vielversprechenden und neuen Forschungsrichtung.



Weitere Informationen zum Projekt :
-  aktuelle Website von Gabriele GramelsbergerGesellschaft für Schwerdatenforschung


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Symposium für Schwerdatenforschung



14 bis 16 Uhr Datenkonsistenz
-  Gabriele Gramelsberger, INM Frankfurt
?Zum Stand der Schwerdateforschung am INM?
-  Prof. Dr. Joachim Peinke, Universität Bayreuth/Oldenburg
?Eine Methode wie man Rauschen und Deterministik trennen kann?
-  Dr. Martin Warnke, Universität Lüneburg
?Size Matters?
-  Dr. Michael Klein, INM Frankfurt
?V-real Data?


16:00 bis 16:30 Uhr Kaffeepause 16:30 bis 18:30 Uhr Datenkritik
-  Prof. Dr. Frieder Nake, Universität Bremen
?Daten-Dadaismus. Die Aufspaltung der Wirklichkeit in Aktuales und Virtuales?
-  Prof. Dr. Hartmut Winkler, Universität Bochum
?Kalte Datenfusion. Theoretische Konzepte und Erfahrungen im experimentellen Reaktor-Betrieb?
-  Prof. Thomas Bayrle, Städelschule Frankfurt
?Winzlinge aller Etagen vereinigt euch!?


18:30 bis 19:00 Uhr Stärkung am Buffet

ab 19:00 bis open end Diskussion mit anschließendem Abendvortrag von Otto Rössler

-  Prof. Dr. O.-E. Rössler, Universität Tübingen (Abendvortrag)
"Schwerdaten - Leichtdaten - Weltbombe oder Wie gefährlich ist das Interface"
-  Hinweis: O.-E. Rössler: "Endophysis - The world as an Interface", World Scientific Singapore 1998


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Abstracts

"Zum Stand der Schwerdatenforschung" von Gabriele Gramelsberger

Schwerdatenforschung




Der Hype ums Digitale, in erster Linie die Kommerzialisierung desselben, macht das Geschäft mit den Daten zu einer ernsten, man möchte sagen: schwerwiegenden Angelegenheit. Das Vorhandensein einer Datenindustrie, sowie deren exponentielles Wachstum, revolutioniert die Gesellschaft, formt sie um in eine Informations- und Kommunikationsgesellschaft. Und wäre es da nicht schön, etwas ganz Handfestes zu haben? Nicht nur diese irgenwie virtuellen Daten, deren elektronische Existenz vom Stecker in der Dose abhängt? Und mal ehrlich, die Daten und Informationen haben für uns doch etwas ganz Konkretes an sich. Da ist es nicht mehr weit - und vor allem wir hier in Deutschland neigen ja zu Objektivationen, Verbegrifflichungen und (geschaffenen) Tatsachenrationalitäten - sich die Daten irgendwie als existente Objekte, als Stoff aus dem die Konjunkturträume sind oder mit ähnlich materiellen Assoziationen vorzustellen. Fein wäre es auch, wenn man Daten beschleunigen könnte. Unvorstellbar die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Eventuell stößt man bei der Datenbschleunigung, so ganz nebenbei, auf kleinste Dateneinheiten und damit auf superschwere Daten. Gelänge es dann, diese in Materie umzuwandeln, man könnte die Pizza online nicht nur bestellen, sondern sie sofort vom Monitor kratzen. Ein Informations-Materie-Wandler würde es möglich machen.
Das sind nur einge Aspekte der Schwerdatenforschung. Das Symposium wird Auskunft über den Stand der Forschungen geben und dürfte nicht nur für Datenforscher und interessierte Laien spannend werden, sondern auch für potentielle Investoren - beispielsweise aus der Pizzabranche.

?Winzlinge aller Etagen vereinigt euch!?
Thomas Bayrle, Städelschule Frankfurt


... die "gesunde" Logik ... die einem aus den graphischen Programmen der meisten PC´s entgegenlacht ... hat etwas nervtötendes ... immer hell - fröhlich - logisch - nix brüten, dunkle Ecken starren ... es fehlt eine Staubschicht aus wintzigen Ja´s und Nein´s ... Nebel aus molekularen Winzlingen, in dem sich der Erlkönig verstecken kann ...

?Kalte Datenfusion. Theoretische Konzepte und Erfahrungen im experimentellen Reaktor-Betrieb?
Hartmut Winkler, Universität Bochum


Daten vermehren sich bekanntlich weitgehend autonom, unkontrollierbar und in exponentiellem Maßstab; und bislang versuchen wir, hektisch Speicher und Prozessorleistungen nachzurüsten. Eigentlich aber haben wir schon verloren. Die Miniaturisierung wird auf dem atomaren Level zum Stillstand kommen, spätestens dann wird das Wachstum wieder physisch voranschreiten. Zunächst werden alle Oberflächen in Anspruch genommen werden, ich denke an Brückengeländer mit einer hauchdünnen Schicht Silizium, dann wird die Information in die tiefe Substanz des Gegenständlichen eindringen. Und dann...

Es sei denn - es sei denn, es gelingt die Fusion. Die additive Wachstumslogik der Daten scheint mir nur dann zu stoppen, wenn es gelingt, Reaktoren zu bauen, die Daten verschmelzen. Stichwort dieser Forschungsrichtung ist die 'Qualitative Informationssynthese', ein relativ junges Fach, das dennoch bereits erste Ergebnisse vorzuweisen hat. Hauptproblem sind gegenwärtig die enormen Energiemengen, die bei der Synthese freigesetzt werden...

?Size Matters?
Martin Warnke, Universität Lüneburg


Fast, als sollte Friedrich Engels' "Dialektik der Natur" nun wieder in Mode kommen und Quantität in Qualität umschlagen wollen: dieses Symposium widmet sich ganz der schieren Quantität von Daten, nämlich ihrem immer Mehr, um einer neuen Qualität auf die Spur zu kommen: der Existenz von Schwerdaten. Gibt's sowas? Kommt es wirklich auf Größe an wie in der Kernphysik, wo man sportlich-wissenschaftlichen Ehrgeiz entwickeln kann, um möglichst viele Nukleonen zu einem sehr schweren Atomkern zusammenzuzwingen, wenigstens für äußerst kleine Zeitspannen, bevor dieser dann wieder zerplatzt? Mit den Veranstalterinnen und Veranstaltern bin ich mir einig: allerdings kommt's auf Größe an. Size matters. Nicht nur, daß jeder Computer-Nutzer auf mehr RAM und mehr MIPS und mehr Disk aus ist, auch schlägt sich nieder, daß nunmehr nicht mehr einige KB die Grenze der direkt manipulierbaren Virtuellen Welten darstellen, sondern fast nur noch die Größe (!) des Geldbeutels. Und wir User selbst: unsere schiere Zahl, wie sie im größten Netz aller Netze wimmelt, mehr Seiten zusammenbastelt, als je von Menschen gelesen werden könnten, diese Zahl selbst hat ein neues Zeitalter der Computerei eingeläutet: wir sind sehr viele, die wir an unseren PCs sitzen, und ein Master Control Program, daß uns beherrschte, kann es nicht mehr geben. Bei Wachstumsraten von einem Faktor 2 pro 18 Monaten (Moore's Law) und ähnlichen Zuwachsraten für die Teilnehmer des WorldWideWeb erhebt sich die Frage: kann es ungebremst so weiter gehen? Schlägt das ungehemmte Wachstum in Stagnation um? Oder gibt es gar eine Kritische Masse von Information oder Netzknoten, bei der alles stillsteht, mutiert oder explodiert? Dieser Frage rückt der Vortrag anhand Analogiebildung zur Theorie der Materie, Prognoseversuchen im Bereich der Informationstechnik, Verirrungen in die Literatur und konkreten Phänomenen von wirklich richtig viel Information auf den Leib.

"Eine Methode wie man Rauschen und Deterministik trennen kann"
Joachim Peinke, Universität Oldenburg


Als ein physikalisches Beispiel der Schwerdatenforschung soll die voll entwickelte Turbulenz betrachtet werden. Dieses physikalische Problem stellt eine besondere wissenschaftliche Herausforderung dar. Seit über 150 Jahren sind die beschreibenden dynamischen Gleichungen in Form der Navier-Stokes Gleichungen bekannt. Trotzdem ist es bie heute nicht gelungen grundlegende Eigenschaften dieser Turbulenz mit diesen Gleichungen zu begründen oder vorherzusagen. In den letzten Jahren hat die intermittente Statistik der Geschwindigkeitsfluktuationen besonderes Interesse in der Turbulenzforschung geweckt. Die intermittente Statistik besagt hierbei, daß es unerwartet große Wahrscheinlichkeiten für sehr große Geschwindigkeitsfluktuationen gibt. Erstaunlicherweise wurde jüngst gezeigt, daß auch Daten vom Finanzmarktgeschehen ähnliche Statistiken aufweisen. Ein neuer methodologischer Ansatz (R. Friedrich, Universität Stuttgart) erlaubt es, aus den experimentellen Daten den zugrundeliegenden statistischen Prozess auszuwerten. Mit diesem Ansatz ist es möglich den deterministischen Anteil von dem Rauschanteil in diesen Daten zu trennen. Als weiteres Anwendungsbeispiel dieser Methode, soll die Möglichkeit Daten zu komprimieren andiskutiert werden.

"V-real Data. Erfahrungen real-virtueller Environments"
Michael Klein, INM Frankfurt


Der medientheoretische Diskurs begleitet Künstler, Wissenschaftler und Anwender am Institut für neue Medien im alltäglichen Spannungsfeld zwischen interaktiven Kunst Installationen, Visualisierungen komplexer Dynamiken und der scheinbar profanen Realisierung hypermedialer World Wide Web Anwendungen. Vor dem Hintergund der Erfahrungen mit Neuer Medien Kunst, die vorallem durch die kunsttheoretischen Überlegungen zur "Virtualität-Variabilität-Viabilität" (P. Weibel) geprägt sind und der (Wieder-) Entdeckung der fundamentalen Beobachterprobleme, die die Chaos- und Komplexitätstheorie der Naturwissenschaften in ihrer bedingungslosen Abhängigkeit von der numerischen Simulation und dynamischen Visualisierung durch Computersysteme offenbart, schlagen wir das Konzept der "Virealität" vor. Interaktion verschränkt die reale und die virtuelle Erfahrung im Mensch-Maschine System zu einer Einheit. Alle Objekte und Zustände einer verschränkten real-virtuellen Umwelt sind "vireale Entitäten". Lediglich in ihren jeweiligen "Projektionen" erscheinen sie dem "Beobachter" physisch-materiell oder hypermedial-digital. So werden auch die Probleme eines Users angesichts eines elektronischen Agenten am hypermedialen Dienstleistungsschalter der Zukunft beschreibbar.

?Daten-Dadaismus. Die Aufspaltung der Wirklichkeit in Aktuales und Virtuales?
Frieder Nake, Universität Bremen


Meine Forschungsgruppe steht kurz davor, die kleinsten Bestandteile des Datenuniversums zu entdecken. Wir können uns bei diesen Arbeiten auf der einen Seite auf G.F.W. LEIBNIZ stützen, der zum Ruhme der westlichen Wissenschaft vorgeschlagen hatte, dem Kaiser von China eine Münze prägen und überbringen zu lassen, mit der die binäre Arithmetik durch den Spruch "Um alles aus dem Nichts zu schaffen, genügt Eines" als die ultimative Vereinigung von religiöser Überzeugung und wissenschaftlicher Erkenntnis gefeiert werden sollte (der Spruch ist im Original selbstredend lateinisch gefaßt). Was die Welt im Innersten zusammenhält, stand Leibniz dabei anscheinend klar vor Augen. Er hat sich um den Wissenschaftsstandort Deutschland (oder wenigstens Braunschweig) damit schon lange vor dessen eigentlicher Zeit verdient gemacht.

Auf der anderen Seite aber kommen wir an FRIEDRICH ENGELS' süffisanten Randbemerkungen nicht vorbei, nach denen es im Innersten der Welt keine kleinsten Einheiten geben könne.

Selbstredend ist der Theoretiker an der Seite von MARX schon auf Grund des ideologischen Charakters seiner dialektischen Bemerkungen nicht so ernst zu nehmen wie das deutsche Universalgenie mit seiner Münzenidee. Dennoch! Ein Dilemma kann man hier sehen, aus dem heraus neuestens die Schaffung einer neuen Wirklichkeit zu führen scheint, die etwas unglücklich die "virtuale" genannt wird.

Das Begeisternde an der Angelegenheit sehe ich in folgender simplen Analogie. Wie es NEWTON darauf abgesehen hatte, die Bewegungen in der Natur zu erklären, was im Scheitern dann die Maschinenwelt der mechanischen Industrie schuf; wie es CHOMSKY darauf abgesehen hatte, die "natürliche" Sprache der Menschen zu erklären, was im Scheitern dann die künstlichen Sprachen der Informationstechnik schuf; so haben InformatikerInnen es heute darauf abgesehen, die Welt insgesamt zu erklären, indem sie Weltmodelle in Software gießen. Schlau und gewitzt, wie sie geworden sind, schaffen sie für die Erklärung der Welt mit einer neuen Welt erst einmal die Versuchsbedingungen. KünstlerInnen helfen ihnen dabei mit großer Begeisterung.

Das dadaistische Prinzip, daß Dada immer längst da war, als Dada kam, gilt hier, in der Virtualität, uneingeschränkt. Im Vortrag soll dem ein wenig nachgespürt werden, indem Zeichen betrachtet werden, an denen Daten, Information und Wissen als Relationen feststellbar sind. Das von uns entdeckte Hosenträger-Prinzip© sagt dann aus, daß Realität und Wirklichkeit auf dem Rücken des Hosenträger-Trägers bzw. der -Trägerin als Aktuales und Virtuales verschränkt sind. Ist das nicht schön?



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